Der Markt für Kundenmanagement-Systeme (CRM) wächst stark. Während 2020 die Investitionslaune im CRM-Bereich noch deutlich gedämpft war, zeigt die Trovarit-Studie „CRM in der Praxis“, dass seit dem Jahr 2021 wieder mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen Investitionen in ihre CRM-Infrastruktur tätigen. Spezialisierte Lösungen finden dabei aktuell mehr Anklang als die Module von ERP-Paketen, berichtet Dr. Karsten Sontow, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des auf Software-Auswahl und -Betrieb spezialisierten Consultinghauses Trovarit AG.

 

„Beim Kundenbeziehungsmanagement dominieren Speziallösungen“

Interview zur CRM-Studie „CRM in der Praxis – Anwenderzufriedenheit, Nutzen und Perspektiven 2021/2022“

Autor: Jürgen Frisch, Redakteur der IT-Matchmaker®.news


Wie viele Lösungen vergleicht die diesjährigen CRM-Studie und in welche Größenklassen werden sie eingeteilt?

Wir haben insgesamt rund 140 unterschiedliche Softwarepakete identifiziert, die Unternehmen für CRM einsetzen. Für 10 Lösungen liegen belastbare Daten vor, die eine Analyse zulassen. Generell ist der CRM-Markt stärker strukturiert als der ERP-Markt. Es gibt klare Marktführer wie Microsoft mit Dynamics CRM, SAP mit SAP CRM oder Salesforce und daneben viele kleinere Anbieter. Im Interesse der Vergleichbarkeit haben wir die Produkte gruppiert in Lösungen für kleinere Unternehmen, also bis 100 Mitarbeiter, mittlere, darunter fallen Unternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern und größere Unternehmen ab 500 Mitarbeiter. Wie bei jeder anderen Business Software hat die Größe der Installationen auch im CRM-Bereich einen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit der Anwender: Denn mit der Anzahl der CRM-Anwender steigt normalerweise auch die Komplexität des Systems.

Wie präsentiert sich der CRM-Markt aktuell?

CRM zählt bei der Business-Software zu den Boom-Segmenten. Viele Unternehmen engagieren sich gerade und digitalisieren ihre Kundenbetreuung mit CRM-Lösungen. Der Anteil von Unternehmen, die dafür eine neue Software angeschafft haben, lag vor der Corona-Krise bei 17 Prozent. Das ist eine enorm hohe Investitionsquote. Mit dem Abflauen von Corona geht dieser Wert zwar zurück, er liegt aber immer noch bei starken 9 Prozent.

 Gibt es bei diesem Marktwachstum Verschiebungen?

Ja. Die Architektur, wie CRM-Lösungen in die Softwarelandschaft eines Unternehmens eingebunden sind, ändert sich deutlich in Richtung Best-of-Breed. Vorrang bekommen gerade spezialisierte CRM-Lösungen, die im Interesse einer durchgängigen Informationsversorgung über Schnittstellen mit den ERP-Systemen verbunden werden. Standalone-Lösungen, die für sich gekapselt dastehen, gehen zurück, ebenso die integrierten CRM-Module von ERP-Systemen. Die spezialisierten Lösungen sind in vielerlei Hinsicht leistungsfähiger. Im Opportunity Management beispielsweise, im Kampagnenmanagement oder beim Anreichern von Leads. Die CRM-Module der ERP-Lösungen leisten grundlegende Unterstützung im Bereich des Kundendialogs, aber wenn es ans Eingemachte geht, dann ist irgendwann Ende der Fahnenstange. Nach meiner Wahrnehmung sind inzwischen viele Unternehmen auf einem Niveau angelangt, wo sie mit leistungsfähigen Speziallösungen arbeiten wollen oder gar müssen. Das interpretiere ich als Professionalisierung. 

Generell gefragt: Wo läuft es gut und welche Probleme drücken die Unternehmen am stärksten?

Bei der Frage nach der Zufriedenheit mit den Lösungen haben wir insgesamt ein positives Feedback erhalten. Die Anwender vergeben eine Note von 1,9 für die Lösungen und die Services der Anbieter. Im Vergleich zur Studie von vor zwei Jahren hat sich der Wert verbessert. Dieser Fortschritt gilt aber nicht für alle 36 Aspekte der Anwendererfahrung, die wir untersucht haben. So wird beispielsweise die Stabilität der Software schlechter bewertet als noch 2019. Das könnte damit zusammenhängen, dass viele Anwender von zuhause oder von unterwegs auf die Lösung zugreifen und dann möglicherweise unter einer instabilen Internet-Anbindung leiden. Das ist nicht unbedingt der Software anzulasten, beeinträchtigt aber die Nutzererfahrung. Weitere Kritikpunkte betreffen die Anpassbarkeit und die Flexibilität, der Software, das Thema Formulare und Auswertungen sowie die Dokumentation im Sinne eines Benutzerhandbuchs.

Die mobile Nutzung ist in der ERP-Studie von Trovarit einer der größten Kritikpunkte. Welche Erfahrungen machen die Anwender von CRM-Systemen mit dieser Funktion?

Ähnlich wie beim ERP-System zählt die mobile Nutzung auch bei CRM-Lösungen zu den schwachen Themenfeldern. Die Kritik ist zwar nicht ganz so dramatisch wie bei den ERP-Lösungen, aber insgesamt erwarten die Anwender da durchaus mehr. Kritikpunkte sind die eingeschränkte Funktionalität und auch die Stabilität der mobilen Lösungen. Schlechte Noten bekommt auch die Offline-Verfügbarkeit. Immerhin gibt es eine ganze Reihe Anwendungsszenarien, wo die Anwender nicht durchgängig Netzverbindung haben. Manche Lösungen lassen sich dann gar nicht nutzen. Problematisch sind im mobilen Einsatz auch die Bedienbarkeit und Anwenderfreundlichkeit. Auf den relativ kleinen Bildschirmen der Mobilgeräte können die Softwareanbieter die durchaus mächtige Funktionalität ihrer Lösungen nur schwer darbieten. Zwei Aspekte relativieren diese Kritik: Zum einen sind CRM-Lösungen nicht ganz so komplex wie beispielsweise die ERP-Lösungen, weil viele Use Cases etwas schlanker ausfallen. Zum anderen sind viele CRM-Lösungen relativ jung, wodurch das Thema mobile Nutzung bei der Entwicklung und Konzeption von Anfang an mitberücksichtigt wurde. Bei ERP-Systemen ist das nur in den seltensten Fällen so. Dort wird also nachträglich mobilisiert, was die Hersteller vor große Herausforderungen stellt.

Welche Hersteller gehören zu den Gewinnern? Wer schneidet eher schlecht ab?

Hier muss man die Klassifikation nach den typischen Einsatzbereichen vorausschicken. Grundsätzlich kommen die Lösungen, die bei kleinen Unternehmen eingesetzt werden, tendenziell besser weg als Lösungen, die größere Unternehmen nutzen. Die besten Noten erhalten beispielsweise Cobra CRM, CAS genesisWorld oder auch Cursor. Diese Produkte sind eher in mittelgroßen oder auch kleineren Unternehmen unterwegs. Dort sind die Einsatzszenarien nicht so komplex und es treten auch keine großen Probleme auf. Die Anwender sind daher insgesamt zufriedener als mit Lösungen, die sich bei den großen Unternehmen sehr häufig finden, wie SAP CRM, Oracle CRM, Salesforce und auch Microsoft Dynamics CRM.


Das vollständige Experten-Interview (auch in Form eines 20-minütigen Audiobeitrags), das folgende CRM-Themen beleuchtet

  • CRM-Speziallösung (Best-of-Breed) oder ERP-Modul?
  • CRM aus der Cloud
  • Mobile Nutzung von CRM-Lösungen
  • Einsatz von künstlicher Intelligenz im CRM-Bereich

haben wir Ihnen als kostenlosen Download auf unserer Seite „CRM-Speziallösungen“ zur Verfügung gestellt.


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