3PhasenKonzept zur ERP-Analyse, -Auswahl und -Einführung
Das 3PhasenKonzept wurde vom Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen zur Analyse, Auswahl und Einführung von Software-Lösungen entwickelt und in zahlreichen Auswahlprojekten erfolgreich angewendet. Das 3PhasenKonzept unterscheidet die Phasen der Analyse, Auswahl sowie Einführung mit jeweils drei Arbeitsblöcken. Jedem dieser Arbeitsblöcke sind praxiserprobte und wissenschaftlich fundierte Methoden und Werkzeuge zugeordnet, welche im Rahmen der langjährigen Anwendung des Konzepts kontinuierlich weiterentwickelt worden sind.

Einführung betrieblicher Anwendungssysteme
Der anhand des 3PhasenKonzepts beschriebene Auswahlprozess stellt mit Hilfe eines bewährten Vorgehensmodells sicher, dass bereits im Vorfeld der Implementierung die wichtigsten Rahmenbedingungen einbezogen, alle kritischen Anforderungen definiert und die entscheidenden Auswahlkriterien berücksichtigt werden, um sowohl die Entscheidung mit einer gewissen Auswahl- als auch die Umsetzung mit einer Vertragssicherheit zu hinterlegen.
Mit dem 3PhasenKonzept werden die wesentlichen Aufgaben bei der Auswahl und Einführung einer neuen ERP-Lösung vorgegeben, welche gegebenenfalls unternehmensspezifisch noch zu ergänzen sind. Die drei Phasen eines Auswahlprojektes sind durch klar zu definierende Meilensteine voneinander getrennt, in denen projektrelevante Entscheidungen zu treffen sind. Dies erhöht die Transparenz im Projektverlauf und bietet die Möglichkeit, die Unternehmensleitung gezielt in wesentliche Entscheidungen einzubinden. Gleichzeitig wird das angestrebte Projektziel in überschaubare Teilziele gegliedert, was letztlich auch die effiziente Projektbearbeitung erleichtert. Die Auswahl und Einführung eines neuen ERP-Systems ist durch ein kontinuierliches Projektmanagement zu überwachen und zu steuern. Ein verbindlicher Maßnahmen- und Zeitplan für die einzelnen Arbeitsschritte des Projektes ist aufzustellen, um Kapazitätseinschränkungen der beteiligten Mitarbeiter (z. B. auf Grund von Urlaub oder des Tagesgeschäfts) ausreichend zu berücksichtigen.
Angesichts der Anforderungen im Bereich des Projektmanagements sowie der großen Hebelwirkung, die eine Softwareauswahl im Hinblick auf Folgekosten der Auswahlentscheidung besitzt, sollten insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen kritisch prüfen, ob im Rahmen einer Softwareauswahl die Unterstützung einer kompetenten und anbieterunabhängigen Unternehmensberatung sinnvoll ist. Zwar schrecken viele Unternehmen aus Kostengründen vor der Einbindung einer Unternehmensberatung zurück – die Erfahrung zeigt jedoch, dass die eingangs beschriebenen Herausforderungen und die dadurch hervorgerufenen Projektverzögerungen vielfach wesentlich höhere (interne) Kosten verursachen, als die Inanspruchnahme externer Unterstützung.

Kostenentwicklung bei ERP-Projekten
1. Analysephase des 3PhasenKonzepts
Zu Beginn eines Auswahlprojekts definiert der Arbeitsschritt der „Projekteinrichtung“ sämtliche für das Projektmanagement und die erfolgreiche Projektdurchführung relevanten Punkte (Phase 1.1). Neben einem detaillierten und mit Meilensteinen versehenen Projektplan kommt der richtigen Zusammenstellung des Projektteams eine übergeordnete Bedeutung zu. Innerhalb des Projektteams sollten zumindest die Unternehmensbereiche eingebunden werden, die vom Einsatz der gesuchten ERP-Lösung unmittelbar betroffen sind. Dabei sind frühzeitig die späteren Anwender sowie der Betriebsrat einzubinden, um Akzeptanzproblemen bereits im Vorfeld entgegenzuwirken. Die Zusammenstellung des Projektteams kann sich dabei in den unterschiedlichen Phasen je nach Aufgabenstellung verändern. Aus diesem Grund hat es sich als sinnvoll erwiesen, zwischen einem Projektkernteam und einem begleitenden Team (bspw. die zentralen Know-How-Träger der jeweiligen Abteilungen) zu unterscheiden.
Bereits mit der Einrichtung des Projektes wird der Grundstein für alle nachfolgenden Schritte bis hin zum erfolgreichen Betrieb des Systems gelegt. Eine besondere Bedeutung hat hierbei die kontinuierliche Unterstützung durch die Unternehmensleitung, die einerseits die finanziellen Mittel und die Personalressourcen bereitstellen und andererseits die Auswahlentscheidung im Unternehmen durchsetzen muss. Darüber hinaus sind zu Beginn des Projektes die Aufgabenstellung, die Zielsetzung sowie die strategischen Leitplanken für die Auswahl und Einführung (z. B. Go-Live-Termin, strategische Überlegungen der Geschäftsentwicklung, neue Produkte, Unternehmenszukäufe usw.) eindeutig zu formulieren und schriftlich zu fixieren.
Die „Prozess- und IT-Analyse“ (Phase 1.2), als der erste operative Schritt eines Auswahlprojektes, verfolgt das Ziel, bestehende Organisationsstrukturen und Prozesse zu erfassen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und anschließend unter Berücksichtigung der Potenziale bzw. weiterer Vorgaben (z. B. Standardisierung der Abläufe mehrerer Werke oder Tochterunternehmen) die Definition anzustrebender Sollprozesse vorzunehmen. Allein die Einführung einer neuen ERP-Lösung stellt kein Patentrezept zur Beseitigung organisatorischer Probleme dar. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass betriebliche Abläufe durch die Einführung einer Softwarelösung gefestigt und damit ggf. Schwachstellen manifestiert werden. Wesentlicher Bestandteil der Analysephase ist daher eine umfangreiche Prozessanalyse.
Damit der Gesamtzusammenhang der Auftragsabwicklungsprozesse berücksichtigt werden kann, sind zunächst die bestehenden Unternehmensabläufe auf einem geeigneten Abstraktionsniveau zu analysieren. In einem zweiten Schritt werden dann relevante Teilprozesse detaillierter betrachtet, wofür unterschiedliche methodische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Für die Darstellung der Gesamtzusammenhänge der Auftragsabwicklung hat sich die Abbildung der Prozesse mit einem vergleichsweise groben Abstraktionsgrad in so genannten Prozesslandkarten bewährt. Neben der Schaffung eines gemeinsamen Prozessverständnisses verfolgen Prozesslandkarten das Ziel, die für das auswählende Unternehmen wichtigen Kernprozesse zu identifizieren sowie die Analyseschwerpunkte für die Detailprozessaufnahme festzulegen. Als Hilfsmittel zur Modellierung von Prozesslandkarten und Detailprozessen sind unterschiedliche Tools am Markt verfügbar.
Begleitend zur „Prozess- und IT-Analyse“ sind die im Projektteam ermittelten organisatorischen und IT-technischen Verbesserungspotentiale des Ist-Zustands zu dokumentieren und in Form einer Potentialdokumentation während der gesamten Analysephase fortzuschreiben. Die identifizierten Potentiale können anschließend zu Schwerpunkten gruppiert werden, welche als Basis für eine strukturierte Bewertung der Verbesserungspotentiale dienen. Anschließend sind die derart systematisierten Schwachstellen bzw. Verbesserungsmaßnahmen vom Projektteam hinsichtlich ihrer zeitlichen Umsetzungsnotwendigkeit zu priorisieren. Ziel dieses Schrittes ist insbesondere die Identifikation von Maßnahmen, welche zwingend vor Einführung der neuen ERP-Lösung bearbeitet sein müssen (z. B. Definition von Sachmerkmalsleisten, Aufbau einer Multisite- und Mandanten-Struktur bei mehreren Werken, Definition eines einheitlichen Kalkulationsschemas usw.).
Aus der Summe der Verbesserungspotentiale bzw. -maßnahmen lässt sich nun eine um Schwachstellen bereinigte und übersichtliche Darstellung der zukünftigen Prozesse (Phase 1.3 – „Prozess- und IT-Konzeption“) erarbeiten. Diese Darstellung unterscheidet sich gegenüber den Schaubildern aus der Prozessanalyse dahingehend, dass lediglich die für die Auswahlphase notwendigen Informationen (Kernprozesse mit Prozessschritten sowie Kennzeichnung, welche Prozessschritte durch das neue System zu unterstützen sind) abgebildet sind. Somit ist das Projektteam in der Lage, auf Basis der erarbeiteten Sollprozesse strukturiert und nachvollziehbar die funktionalen Anforderungen an eine neue ERP-Lösung zu definieren.
2. Auswahlphase des 3PhasenKonzepts
Innerhalb der Auswahlphase wird der Anbietermarkt zunächst sondiert und von ca. 2.000 am Markt verfügbaren System-Anbieterkombinationen auf eine zweckmäßige und überschaubare Anzahl reduziert. Mit den Ergebnissen der Analysephase werden dazu die unternehmensspezifischen Anforderungen formuliert und mit den Leistungsmerkmalen marktgängiger Softwarelösungen abgeglichen. Der dabei in Form einer „Ausschreibung“ durchgeführte Abgleich erlaubt anschließend die weitere Eingrenzung der Anbieter-System-Kombinationen auf eine handhabbare Anzahl von drei bis fünf. Für diese Gesamtheit wird im Anschluss ein einheitlicher Fahrplan für die Durchführung von Systempräsentationen erarbeitet, welcher zudem eine eindeutige und vergleichbare Bewertung der Systeme durch die zukünftigen Anwender gewährleistet. Nach der Durchführung der Präsentationen stellt eine Entscheidungsvorlage sämtliche relevanten Auswahlinformationen zusammen und gestattet dem Unternehmen die Festlegung auf ein bis zwei Favoriten, mit welchen innerhalb der dritten Phase (Einführung) zunächst die Vertragsverhandlungen aufgenommen werden.
Die Basis für den funktionalen Abgleich aus Anforderungen des Unternehmens und Leistungsmerkmalen von ERP-Lösungen stellt der über viele Jahre kontinuierlich weiterentwickelte Merkmalskatalog zur Bewertung von ERP-Systemen dar. Ursprünglich aus der Funktionssicht des Aachener PPS-Modells hervorgegangen, wurde der Katalog dabei sukzessive um weitere Themenbereiche wie verteilte Organisationsstrukturen oder Finanzbuchhaltung ergänzt. Der Katalog bietet mit mehr als 2.500 Funktionsmerkmalen die Möglichkeit, annähernd sämtliche funktionale Anforderungen an ein ERP-System übersichtlich zu definieren. Die Anforderungen können dabei weiterhin unterschiedlich gewichtet werden (von „kritisch“ bis „optional“). Darüber hinaus lassen sich so genannte „K.O.-Kriterien“, welche unabdingbar für das Unternehmen sind, und unternehmensspezifische Zusatzanforderungen definieren. Insbesondere den das Standard-Lastenheft ergänzenden unternehmensspezifischen Zusatzanforderungen kommt im weiteren Auswahlprozess eine gewichtige Bedeutung zu, da vor allem solche Spezialanforderungen oft völlig unterschiedlich von den am Markt befindlichen ERP-Lösungen abgedeckt werden. Das Resultat der „Lastenhefterstellung“ (Phase 2.1) ist somit ein Anforderungsprofil an die neue ERP-Lösung, anhand dessen die Erwartungen samt aller Funktionsmerkmale mit entsprechender Gewichtung dokumentiert sind.
Um die Anzahl der zur Auswahl stehenden Software-Lösungen auf ein überschaubares Maß (in der Regel drei bis fünf Systeme) reduzieren zu können, erfolgt im Anschluss an die Anforderungsdefinition im Lastenheft die strukturierte Ermittlung der funktionalen sowie der strategischen Anforderungserfüllung. Wie in der Einführung zum 3PhasenKonzept beschrieben, lässt sich die Anforderungserfüllung anhand des Auswahlgegenstandes differenzieren, wobei grundsätzlich die zwei Bereiche „System“ und „Anbieter/Systemhaus“ unterschieden werden können. Beide Auswahlgegenstände besitzen wiederum eine leistungsbezogene und eine strategische Dimension. Die leistungsbezogenen Kriterien des Systems sind hierbei bereits in Form des Lastenheftes erfasst. Die strategischen Auswahlkriterien des Systems sind ebenso unternehmensindividuell zu definieren und zu gewichten. Die Auswahlkriterien beim Anbieter/ Systemhaus sollen helfen, für ein Unternehmen einen passenden Partner zu finden, der die Software zügig und erfolgreich einführen kann.
Die operative Durchführung der Anbieter- und Systemeingrenzung erfolgt über die Auswahlplattform „IT-Matchmaker“ der Trovarit AG. Dabei wird das zuvor definierte Lastenheft (Standard-Lastenheft und unternehmensspezifische Zusatzfragen) auf die Plattform eingestellt und mit den Leistungsmerkmalen sämtlicher hinterlegter ERP-Lösungen abgeglichen (Phase 2.2). Auf Basis der funktionalen Erfüllung hinsichtlich des Standard-Lastenheftes sowie von Projektreferenzen der Anbieter erfolgt anschließend eine erste Eingrenzung der Anbieterzahl auf eine handhabbare Anzahl von 10 bis 15. Diese Anbieter erhalten dann im Rahmen einer Ausschreibung die Möglichkeit, zunächst ihr Leistungsprofil zu aktualisieren, die unternehmensspezifischen Zusatzfragen zu beantworten, passende Projektreferenzen bereitzustellen sowie eine erste Kostenabschätzung abzugeben.
Nach Ablauf der Ausschreibungsphase und Auswertung selbiger lassen sich die Anbieter aus unterschiedlichen Perspektiven (Funktionalitäten, Referenzen, Kosten usw.) direkt miteinander vergleichen, sodass auf dieser Basis eine sog. Vorauswahlentscheidung getroffen werden kann. Diese Entscheidung umfasst die Festlegung auf einen Favoritenkreis von ca. drei bis fünf Anbieter-System-Kombinationen, welche im weiteren Auswahlprozess in Form von „Systempräsentationen“ näher betrachtet werden.
Zur Vorbereitung der Vorstellung von Anbietern und Systemen ist in einem ersten Schritt ein einheitlicher Durchführungsfahrplan zu erarbeiten (Phase 2.3). Dieser soll gewährleisten, dass die innerhalb der Analysephase erarbeiteten Sollprozesse, welche das neue System bestmöglich unterstützen soll, möglichst realitätsnah an den jeweiligen Systemen demonstriert werden. Somit müssen zunächst exemplarische Auftragsabwicklungsprozesse aus den Sollprozessen abgeleitet werden, welche ein möglichst breites Spektrum der erwarteten Funktionalitäten abdecken. Bei der Erstellung des Fahrplans empfiehlt sich eine Untergliederung in zwei Teile: Mit dem sogenannten Gesamtfahrplan werden aus der Sicht eines Kundenauftrags sämtliche Prozesse der Auftragsabwicklung vom Vertrieb bis zum Versand durchlaufen. Dazu sind jeweils relevante Fragen aus dem Lastenheft in den Fahrplan zu überführen. Diejenigen Aspekte, welche im Gesamtfahrplan nicht oder noch nicht hinreichend abgebildet werden können, werden im Rahmen von Einzelfahrplänen untersucht. Dies sind beispielsweise u. a. Fragen zu den Bereichen Stammdatenverwaltung, Auftragskoordination, Kunden- und Lieferantenreklamationen, Systemmanagement. Zuletzt sollten im Fahrplan Fragen nach den Erfahrungen des Anbieters mit der Datenübernahme aus dem abzulösenden ERP-/PPS-System, nach der Möglichkeit zu anwenderseitigen Zusatzprogrammierungen, nach dem Schulungskonzept sowie nach der Einführungsstrategie des Anbieters enthalten sein. Der Fahrplan wird allen Anbietern im Vorfeld der Präsentationen zugesandt und soll somit eine gezielte Vorbereitung des Anbieters auf seinen Präsentationstermin ermöglichen.
Auf Basis des erstellten Fahrplans erfolgt schließlich die Durchführung der Systempräsentationen (Phase 2.3). Die zukünftigen Anwender absolvieren hierbei die einzelnen Arbeitsschritte des Fahrplans und durchlaufen am System des Anbieters die fiktiven Auftragsabwicklungsprozesse. Jedem Schritt des Fahrplans wird ein gewisses Zeitkonto zugesprochen, welches für jedes der zu untersuchenden Systeme den gleichen Umfang besitzt. Insbesondere den kritischen Funktionsmerkmalen sollte dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um somit den Anbietern die Möglichkeit zu nehmen, Schwächen des Systems zu überspielen. Resultat der Überprüfung funktionaler und strategischer Anforderungen sollte eine dokumentierte Bewertung der verschiedenen Systeme auf einer einheitlichen Grundlage sein. Dazu erfolgt die Vergabe von Noten (z. B. nach dem Schulnotensystem) durch die zukünftigen Anwender des Systems. Die Bewertung der Anwender bezieht sich ausschließlich auf die Anforderungserfüllung und den subjektiven Eindruck eines jeden Teilnehmers. Darüber hinaus ist zu dokumentieren, welche Funktionalitäten die verschiedenen Systeme im Standard enthalten bzw. an welchen Stellen und mit welchem (Anpassungs-) Aufwand diese Funktionalitäten noch zu programmieren oder anzupassen sind. Aufgrund einer nun vertieften Kenntnis des auswählenden Unternehmens sollten die Anbieter ihre jeweiligen Kostenabschätzungen im Anschluss an die Systempräsentationen nochmals aktualisieren.
Der letzte Arbeitsschritt der Auswahlphase befasst sich schließlich mit der Erarbeitung einer Entscheidungsvorlage. Dieser Schritt beinhaltet sowohl die Auswertung der Systempräsentationen als auch die Zusammenstellung sämtlicher Parameter zur Auswahlentscheidung. Auf Basis der Entscheidungsvorlage sollten dann mindestens zwei Anbieter für die dritte Phase vorgeschlagen werden, mit welchen im Anschluss die Vertragsverhandlungen aufgenommen werden können.
3. Beschaffungsphase des 3PhasenKonzepts
Zu Beginn der Pflichtenhefterstellung (Phase 3.1), als erstem Baustein der Beschaffungsphase, sollte zunächst eine Aktualisierung des Lastenheftes erfolgen. Vormals noch nicht endgültig definierte Anforderungen (im Lastenheft als optional gekennzeichnet) sind nun ebenso zu spezifizieren wie der endgültige Leistungsumfang (z. B. Anzahl Lizenzen, Spezifikation der Schnittstellen, Anpassungsprogrammierungen, Wartungsumfang usw.). Auf dieser Basis werden die verbliebenen Anbieter zur Zusendung sämtlicher zum Vertragsschluss notwendigen Dokumente aufgefordert, was in der Regel einen Kaufvertrag für die Software- und Datenbanklizenzen, einen Wartungsvertrag für selbige, einen Dienstleistungsvertrag für die Implementierung der Software sowie ein Projekthandbuch zur Definition der Regeln der operativen Projektabwicklung beinhaltet. Die für den Betrieb der Software notwendige Hardware ist zu diesem Zeitpunkt (in der Regel) nicht Bestandteil der Verträge. Das Unternehmen kann die Anbieter mit der Einholung eines Hardware-Angebots (Hardware-Sizing) beauftragen, dies jedoch auch selbst bei Drittanbietern vornehmen.
Im Rahmen einer Projekteinrichtung (Phase 3.2) sollten im Unternehmen diejenigen Aufgaben zwischen Anbieter und Anwender verteilt werden, welche zwingend im Vorfeld sowie während der Einführung einer neuen ERP-Lösung durchzuführen sind. Dabei kann es sich bspw. um die Bereinigung von Stammdaten oder das Erarbeiten einer Sachmerkmalsleiste zur Produktstrukturierung handeln, welche später im Rahmen der Implementierung im neuen System abgebildet werden soll. Die Maßnahmen sollten dabei zunächst mittels standardisierter Templates genau beschrieben, anschließend hinsichtlich Umsetzungsaufwand priorisiert und somit in eine definierte Umsetzungsreihenfolge überführt werden. Zusätzlich dazu können jeweils Maßnahmenverantwortliche benannt sowie die Maßnahmen in einen Umsetzungszeitplan eingeordnet werden. Ähnlich des späteren ERP-Implementierungsprojekts kann auch die Einrichtung eines Projektteams für die Prozessoptimierung hilfreich sein, um der Maßnahmenumsetzung ein hinreichendes Gewicht im Unternehmen zu verleihen.
Auf Basis der vorliegenden (vollständigen) Vertragsunterlagen erfolgt nun in einem nächsten Schritt die inhaltliche Prüfung der Vertragswerke sowie des Projekthandbuchs. Dabei stehen insbesondere Aspekte wie Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben im Vordergrund und führen nach Abschluss der Prüfung zu fachlich und inhaltlich kommentierten (Vertrags-)Werken. Parallel zur inhaltlichen Prüfung sollte zudem eine juristische Prüfung der Verträge erfolgen, wozu sich die Beauftragung einer auf IT- und Softwarerecht spezialisierten Anwaltskanzlei anbietet. Als Ergebnis liegen in der Folge sowohl fachlich und inhaltlich, als auch juristisch geprüfte und kommentierte Vertragswerke vor. Anschließend ist es die Aufgabe, unter Einbeziehung der Kommentare eine geeignete Verhandlungsposition im Sinne des Unternehmens zu erarbeiten. Dies bezieht sich vor allem darauf, diejenigen Änderungen, Anpassungen oder Streichungen im Vertragswerk zu priorisieren, auf die aus Sicht des Unternehmens keinesfalls verzichtet werden kann. Ist die Verhandlungsstrategie abgestimmt, folgen ein oder mehrere Verhandlungstage mit den Anbietern. Sind als Ergebnis umfangreiche Anpassungen der Verträge durch die Anbieter notwendig, kann auch eine nochmalige inhaltliche sowie juristische Prüfung und ggf. ein weiterer Verhandlungstermin notwendig werden, bevor man zu einem Vertragsabschluss gelangt (Phase 3.3).
Nach Vertragsabschluss mit dem finalen Anbieter beginnt das eigentliche ERP-Implementierungsprojekt mit der sog. Initialisierung. Dabei ist analog zum eigentlichen Auswahlprojekt zunächst das Projektmanagement aufzusetzen (Projektteam, Projektplan mit Meilensteinen usw.). Der ausgewählte Anbieter wird dazu sowie zum weiteren Fortlauf der System-Implementierung in der Regel ein eigenes Projektvorgehen entwickelt haben und dieses zur Anwendung bringen. Für das sukzessive Controlling des Fortgangs der Implementierung (Feinkonzeption, Datenübernahme, Anwenderschulung, Echtstartvorbereitung, Go-Live usw.) können wiederum unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz kommen, welche den Ist-Fortschritt transparent mit den zugehörigen Sollwerten aus dem Projektstrukturplan abgleichen und bei Abweichungen die rechtzeitige Einleitung von Gegenmaßnahmen sicherstellen sollen. Solche Werkzeuge schaffen nicht nur zusätzliche Transparenz, sondern unterstützen vor allem die zeit- und budgetkonforme Einführung des neuen ERP-Systems bis zum avisierten Go-Live-Termin.
Auszug aus dem „Marktspiegel Business Software – ERP / PPS 2019 / 2020“ | Herausgeber: Günther Schuh, Volker Stich | Autoren: Thies Bach, Andreas Külschbach, Jan Reschke, Tobias Schröer, Karsten Sontow, Peter Treutlein, Themo Voswinckel, Philipp Wetzchewald