ERP Auswahl

Software Systeme für Business Anwendungen sind aus Unternehmen heutzutage nicht mehr wegzudenken. ERP Systeme bilden das Rückgrat der gesamten Organisation, PPS Lösungen steuern moderne Produktionsanlagen, CRM Systeme unterstützen Vertrieb und Service bei der Kundengewinnung und -bindung und Dokumentenmanagement Software sorgt dafür, dass Unterlagen, Zeichnungen, Rechnungen usw. (gesetzeskonform) archiviert werden.

Die am Markt verfügbaren Business Solutions spiegeln in ihrer Vielfalt dabei nicht nur verschiedene Anwendungsbereiche wider, sondern auch die unterschiedlichen Einsatzszenarien in Industrie und Handel, in einzelnen Branchen, in Konzernen und kmU.

Wussten Sie z.B., dass es auf dem deutschen Markt mehr als 1.000 ERP Systeme und mehr als 150 CRM Lösungen gibt?

Da überrascht es nicht, dass die Suche nach der wirklich passenden Lösung für viele Unternehmen eine große Herausforderung darstellt. Hinzu kommt, dass bei solchen IT Projekten hohe Beträge investiert werden müssen und das gesamte Unternehmen in der Einführungsphase hohen Belastungen ausgesetzt ist.

Im folgenden werdem exemplarisch am Beispiel einer ERP-Auswahl die Herausforderungen und Fallstricke dargestellt und einige Ansätze zur Bewältigung der Herausforderung «Software-Auswahl» beschrieben.

 

Herausforderung ERP Auswahl

Unternehmen riskieren bei Projekten zur ERP-Auswahl hohe Investitionsbeträge, gleichzeitig belasten ERP Auswahl und ERP-Einführung die Personalkapazität in einem Maße, das zumeist völlig unterschätzt wird. Bei einem klassischen Mittelständler muss beispielsweise mit einem internen Personalaufwand von weit mehr als 3,0 Personenjahren gerechnet werden. Das Risiko eines ERP-Projektes lässt sich an drei Aspekten festmachen:

  • Erreichen der inhaltlichen Zielsetzung,
  • Einhalten von Terminplanung und Kapazitätsbudgets und
  • Einhalten des Investitionsbudgets

Anhand von Studien lässt sich nachweisen, dass ERP-Projekte zu den riskanteren Aufgaben eines Unternehmens zählen. So geben bis zu 85% der von Droege und Comp. zum Erfolg von ERP-Projekten befragten Unternehmen an, dass sie ihre inhaltlichen Projektziele nicht erreicht haben (vgl. FAZ 28.07.2003). Gravierende Probleme führen bei ca. 28% der ERP-Projekte sogar zum Abbruch (vgl. Standish Group, 02/2000). Interpretiert man die Schwankungen von Durchlaufzeit, Personalaufwand und Investitionen für ERP-Projekte als Projektrisiken, dann ergibt sich einer Studie der Trovarit AG zufolge in allen Dimensionen das gleiche Bild (vgl. Abbildung 1). Im Rahmen dieser breit angelegten Studie wurden von der Trovarit AG seit 2004 etwa 6.000 Unternehmen nach Kenngrößen zu ihren ERP-Projekten sowie der Zufriedenheit mit den ausgewählten Implementierungspartnern und den installierten Systemen befragt. Hinsichtlich der Durchlaufzeit von ERP-Projekten zeigt die folgende Grafik zwar, dass die Projektdauer bei einem großen Teil der befragten Unternehmen in der Größenklasse von 100 bis 250 Mitarbeitern unter dem Durchschnitt bleibt. Jedoch gaben etwa 40 Prozent der befragten Unternehmen an, dass es Probleme bei der Einhaltung der Terminplanung gab. ERP-Projekte bergen also ein erhebliches Terminrisiko.

Terminrisiko

Abbildung 1:     Terminrisiko bei ERP-Projekten
(n=582 Installationen/ Projekte) Quelle: ERP-Zufriedenheitsstudie 2004-2008, Trovarit AG)

Sichere ERP Auswahl: strukturierte Vorgehensweise von Anfang an

Um die o.g. Risiken zu reduzieren, sollte man sich eines vergegenwärtigen: ERP-Projekte sind komplexe Investitionsvorhaben, die entsprechend abgesichert werden müssen. Will man seiner Investitionsentscheidung eine möglichst stabile Grundlage geben, sollten im Rahmen der Auswahl-Entscheidung folgende Aufgaben abgearbeitet werden:

  • Klare und verbindliche Formulierung der Anforderungen an die Software und den Service des Software-Anbieters.
  • Fundierte Prüfung des Marktangebotes (potenzielle Anbieter und Systeme).
  • Klare und verbindliche Fixierung des Leistungsumfangs (Software und Dienstleistungen), der Liefertermine und der finanziellen Konditionen.

Angesichts der o.g. Risiken, der hohen Kosten und Aufwände sowie der Komplexität von ERP-Projekten sollten IT-Verantwortliche bereits mit Beginn des Projektes den Fokus auf eine strukturierte Vorgehensweise legen. In Abbildung 2: sind die acht elementaren Projektschritte einer ERP-Auswahl dargestellt.

 

Projektschritte Softwareauswahl
Abbildung 2:     Projektschritte einer strukturierten Software-Auswahl mit dem IT‑Matchmaker®

 

Schritt 1: Projekteinrichtung

Schon mit der Projekteinrichtung sind einige grundlegende Entscheidungen zu treffen. Diese können den Erfolg eines Projektes nachhaltig beeinflussen und sollten daher gut durchdacht sein. So muss Klarheit darüber herrschen, welche Ziele man innerhalb des Projektes erreichen will. Im Rahmen der ERP-Zufriedenheitsstudie wurden IT-Verantwortliche nach den Zielen ihres Projektes befragt. Abbildung 3 zeigt, dass sehr viele Unternehmen mit der Einführung einer neuen ERP-Lösung die Vereinfachung bzw. Verbesserung ihrer Abläufe und Prozesse verbinden. An zweiter Position steht der schnellere Zugriff auf bessere Informationen. Will man hier auf der sicheren Seite stehen, muss die Geschäftsführung Ziele und Betrachtungsbereich des ERP-Projektes klar vorgeben bzw. abstecken. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die erstmalig den breiteren Einsatz einer (integrierten) ERP-Lösung anstreben.

Ziele ERP-Einführung

Abbildung 3: Ziele von ERP-Projekten
(n=4.861 Projekte, Quelle: ERP-Zufriedenheitsstudie 2008, Trovarit AG)

Die Einrichtung eines robusten Projektmanagement ist unerlässlich, will man die gesteckten Ziele auch erreichen. Wichtige Voraussetzung für ein wirksames Projektmanagement ist die Auswahl geeigneter Teammitglieder. Da ERP-Projekte einen großen Einfluss auf viele Unternehmensbereiche haben, muss das Projektteam die Anforderungen an die neue Lösung aus allen betroffenen Bereichen in die Projektarbeit einbringen können. Das Kernteam umfasst im Mittelstand ca. zwei bis sechs Personen, die zeitweise themenbezogen durch weitere drei bis sechs Personen unterstützt werden. Der anfallende Aufwand, z.B. für Datenaufbereitung, Organisations- und Systemanpassungen oder auch für die Schulung der Software-Anwender, wird dabei oftmals unterschätzt. Er beläuft sich bei Mitgliedern des Kernteams schnell auf 40-60% der Personalkapazität – unterliegt jedoch erheblichen Schwankungen innerhalb der einzelnen Projektphasen. Spätestens mit der Auftragserteilung sollte dann auch der zukünftige Software-Partner in das Team eingebunden werden.

Die erste Aufgabe, die das eingesetzte Projektteam in aller Regel zu bewältigen hat, ist die Definition eines Projekt- bzw. Zeitplans. Dabei gilt es, den mit dem Projekt verbundenen internen Aufwand einzuschätzen und darüber hinaus eine Kostenabschätzung abzugeben. Nach eigenen Angaben werden kleinere Anwenderunternehmen durch die Vorbereitung und Umsetzung der ERP-Einführung durchschnittlich mit etwa sechs bis zehn Monaten belastet, wobei diese Werte erheblichen Schwankungen von Projekt zu Projekt unterliegen. Betrachtet man z.B. die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von ERP-Projekten, dann hängt diese in hohem Maße von der Unternehmensgröße ab – sie liegt bei Unternehmen über 500 Mitarbeiter fast doppelt so hoch wie bei Unternehmen unter 50 Mitarbeitern. Diese Abhängigkeit ist angesichts der unterschiedlichen Projektkomplexität in den jeweiligen Größenklassen leicht nachzuvollziehen. Auffällig ist jedoch, wie stark die Projektdauer von Fall zu Fall schwankt: So werden einerseits ca. 15% der Projekte in einem Zeitraum durchgeführt, der um mehr als 50% unter dem Mittelwert in der jeweiligen Größenklasse liegt. Andererseits liegt ein vergleichbarer Anteil weit über dem Klassendurchschnitt. Auch der finanzielle Aufwand unterliegt ähnlichen Schwankungen. Nach Angaben der befragten Unternehmen liegen die Kosten für Software-Lizenzen und -Implementierung ohne Hardware-Investition im Durchschnitt bei ca. 5.000,00 EURO je ERP-Arbeitsplatz (Quelle: ERP-Zufriedenheitsstudie 2008, Trovarit AG, S. 46). Bei der Ermittlung der Kosten sollten neben den zu erwartenden externen Kosten auch der interne Aufwand ausgewiesen werden.

Schritt 2: Potentialanalyse

Die Potenzialanalyse hat das Ziel, bestehende Organisationsstrukturen und Prozesse im Unternehmen zu erfassen, Schwachstellen und ihre Ursachen zu identifizieren und gegebenenfalls erste organisatorische Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten. Allein die Einführung einer Software-Lösung stellt kein Patentrezept zur Beseitigung organisatorischer Probleme dar. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass betriebliche Abläufe durch die Einführung einer Software-Lösung gefestigt und damit u.U. Schwachstellen manifestiert werden können. Unabhängig von etwaigen Notwendigkeiten zur Reorganisation der betrieblichen Strukturen dient die Potenzialanalyse gleichzeitig dazu, eine solide Grundlage für die Formulierung der Anforderungen an eine Software-Lösung zu schaffen.

Einsatzanalyse mit Mindmanager

Abbildung 4: Einsatzanalyse mit dem MindManager® der Mindjet GmbH

Innerhalb der Potenzialanalye gilt es, die Schwachstellen in der Unternehmensorganisation sukzessive aufzuspüren, um sie in der folgenden Prozessanalyse genauer unter die Lupe nehmen zu können. Vor dem Hintergrund des Zeitaufwands, den eine detailliertere Prozessanalyse mit sich bringt, ist diese Vorgehensweise sinnvoll, da sie die tatsächlichen Schwächen im Unternehmen offenbart. So kann man sich innerhalb der Prozessanalyse auf diejenigen Unternehmensbereiche konzentrieren, in denen der Handlungsbedarf hoch ist.

Verbesserungspotenziale

Abbildung 5: Ermittlung und Dokumentation von Verbesserungspotenzialen und Maßnahmen

Schritt 3: Prozessanalyse

Die Prozessanalyse verfolgt das Ziel, die in der Potentialanalyse aufgedeckten Schwächen in der Unternehmensorganisation zu konkretisieren und bis ins Detail zu verfolgen. So wird gewährleistet, dass eingeleitete Verbesserungsmaßnahmen auch greifen können. Zur Reduzierung des Aufwandes für die Prozessanalyse hat es sich bewährt, auf sog. Referenzmodelle zurückzugreifen. Referenzmodelle beschreiben typische Unternehmensprozesse und/oder -aufgaben, die sich in ähnlicher Form bei einer Vielzahl von Unternehmen finden. Bei der Analyse der Unternehmensabläufe ohne Referenzmodell müssen im Rahmen der Prozessaufnahme alle relevanten Prozessschritte eigenständig identifiziert und dokumentiert werden – eine Aufgabe, die nur mit entsprechender Erfahrung in überschaubarer Zeit erfüllt werden kann. Bei der Prozessanalyse unter Zuhilfenahme von Referenzmodellen werden die unternehmensspezifischen Abläufe aus den standardisierten Bausteinen zusammengesetzt. Durch diese Vorgehensweise wird die Identifikation und Dokumentation von relevanten Prozesselementen deutlich erleichtert.

Die Dokumentation der aufgenommen Unternehmensprozesse erfolgt heute i.d.R. mit entsprechenden EDV-Werkzeugen. Neben gebräuchlichen Textverarbeitungs- oder Zeichenprogrammen gibt es auch spezielle Programme für die Prozessmodellierung. Basierend auf Microsoft-Visio hat die GPS Gesellschaft zur Prüfung von Software mbH aus Ulm den SoftwareAtlas entwickelt. Neben der Funktionalität zur Abbildung und Dokumentation der Prozesse wird mit dem SoftwareAtlas auch ein Referenzmodell ausgeliefert. Der SoftwareAtlas bzw. die Elemente des Referenzmodells sind über eine Schnittstelle mit der Lastenheft-Vorlage des IT Matchmaker® (vgl. Schritt 4: „Lastenheft») verbunden. Somit besteht die Möglichkeit, parallel zur Prozessanalyse Anforderungen an das neue ERP-System zu erfassen und im weiteren Auswahlverfahren in den IT Matchmaker® zu importieren.

Prozessanalyse

Ein weiteres Programm (neben anderen wie z.B. sycat Prozessmanagementsoftware von der binner IMS GmbH oder ViFlow von der ViCon GmbH) zur Unterstützung der Prozessanalyse ist das System BONAPART® der BTC Business Technology Consulting AG. Dieses eigens für die Prozessmodellierung konstruierte Werkzeug ermöglicht die strukturierte Erfassung und Darstellung von Prozessen. Im Rahmen der Prozessaufnahme mit BONAPART® besteht die Möglichkeit, Einzelaufgaben aus einem Referenzmodell per Drag and Drop in den jeweiligen Prozess zu kopieren. Das ausgelieferte Aufgabenreferenzmodell entspricht in seiner Struktur der Lastenheft-Vorlage des IT Matchmaker®. Über ein zusätzliches AddIn können in Bonapart zu den Aufgaben aus dem Referenzmodell Anforderungen an ein neues ERP-System definiert werden (vgl. Abbildung 6). Somit kann bereits im Rahmen der Prozessmodellierung ein mit dem IT Matchmaker® kompatibles Lastenheft erstellt werden. Über eine Schnittstelle kann es in den IT Matchmaker® importiert werden und steht für den weiteren Verlauf des Auswahlprojektes, beispielsweise für die Marktrecherche oder die Ausschreibung, online zur Verfügung.

Abbildung 6: Prozessanalyse und Aufgabenreferenzmodell am Beispiel von BONAPART®