Wie ERP-Systeme internationale Geschäftsprozesse unterstützen
Die zunehmende Vernetzung und Geschwindigkeit von Geschäftsabläufen macht nicht an Ländergrenzen halt. Internationalisierung ist daher ein Kernbestandteil erfolgreicher Unternehmensstrategien im globalen Markt.
Initiativen wie ERP 2020 und Industrie 4.0 zeigen, dass die IT-Anbieter die Zeichen der Zeit erkannt haben und Anwenderunternehmen bei ihrem Transformationsprozess in Richtung Echtzeit-Business unterstützen. Doch der Blick in die Praxis des deutschen Mittelstands zeigt: Zunächst geht es vor allem darum, Standardprozesse wie Angebotserstellung, Auftragsabwicklung und Abrechnung auf internationaler Ebene rechtlich einwandfrei und so effizient wie möglich abzubilden. Damit das gelingt, muss die eingesetzte Unternehmens-Software eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllen.
Zwar sind moderne ERP-Systeme prinzipiell immer für den internationalen Einsatz konzipiert, doch die Tücken der Praxis stecken im Detail. Dabei geht es nicht nur um technische und funktionale Aspekte der Software. Vielmehr kommt gerade beim internationalen Einsatz den Faktoren Service und Beratung erhebliche Bedeutung zu.
Als kritisch können sich auch infrastrukturelle oder sozio-kulturelle Randbedingungen erweisen. Um sicherzugehen, dass keine wichtigen Punkte übersehen werden, sollten Anwender grundsätzlich auf drei Erfolgsfaktoren für internationale ERP-Projekte achten:
- Gehen Sie systematisch vor – sowohl bei der Auswahl von Hersteller und System, als auch bei der Implementierung Ihrer ERP-Lösung.
- Sichern Sie sich die Unterstützung durch Partner mit Erfahrung in Ihren Märkten.
- Nehmen Sie Ihre Belegschaft an den verschiedenen Standorten mit. Wenn Sie wollen, dass Ihre Lösung in Brasilien, Indien, Russland oder China genutzt wird, müssen die dortigen Anwender nicht nur die Benutzeroberfläche, sondern auch die Logik des Systems verstehen.
Dr. Karsten Sontow, Vorstand, Trovarit AG
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Finance & Controlling
Internationale Rechnungslegung in FiBu-Systemen
Die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards wie IFRS oder US-GAAP spielt nicht mehr nur bei Großkonzernen, sondern auch verstärkt im Mittelstand eine immer größere Rolle. Aufgrund der häufig wachsenden Anzahl von Tochtergesellschaften im Ausland und damit unterschiedlicher Nutzung lokaler Rechnungslegungsstandards wird zur Vereinheitlichung der Bewertungsbasis vermehrt auf internationale Rechnungslegungsstandards zurückgegriffen. Auch Banken beziehen in Ihre Ratings die Performance von Unternehmensverbünden ein. Hier wird ein „vergleichbarerer“ Ansatz aus Bewertungsgründen begrüßt.
Die Tendenz geht auch deshalb in Richtung international anerkannter Rechnungslegungsstandards, weil das deutsche HGB-getriebene Vorsichtsprinzip die Bildung stiller Reserven fördert, während die internationalen Standards nach dem Prinzip der „fair presentation“ bzw. „fair value“ verfahren und damit eine Vergleichbarkeit und Einschätzung der „Unternehmens-Performance“ deutlich besser möglich ist.
Die praktische Umsetzung der internationalen Rechnungslegungsvorschriften kann in unterschiedlichen Varianten in einem Finanzbuchhaltungssystem erfolgen. Zwei Ansätze zur Umsetzung beschreibt der Beitrag im Download-Bereich.
Rainer Schwöbel, Competence Center Finance & Controlling
Risikomanagement
Einbindung in das Konzernreporting
Im Bereich der Rechnungslegung müssen ausländische Töchter in das interne und externe Konzernreporting eingebunden werden:
- Koordination des Abschlusserstellungsprozesses mit den ausländischen Töchtern (Meldetermine, Formate, Abstimmung mit WP, Bilanzierungsrichtlinien, Verfahren nachträgliche Anpassungen)
- Einbindung in die Intercompany-Abstimmungsprozesse
- Kennzeichnung der verbundenen Unternehmen (Konzernstruktur) in den Stammdaten
- Anreicherung der Stamm- und Bewegungsdaten mit Kontierungsinfos für Konsolidierung (z.B. Partnerinformationen und Bewegungsarten)
- Überleitung der Abschlussdaten in das Template (Reporting Package) für die Meldung an die Mutter
- Überleitung der lokalen Daten auf den Positionsplan der Mutter
- ggf. Validierung der Meldedaten
- ggf. Überleitung GKV – UKV (-> Anpassung internes Rechnungswesen)
- Einführung paralleler Rechnungslegungsstandards (lokal GAAP versus Konzern-GAAP (HGB, IFRS)) -> ggf. Notwendigkeit zur Um- oder Neubewertung
- falls ausländische Tochter in mehreren Segmenten tätig: Anreicherung der Meldedaten mit Informationen zu Segmenten
- Umrechnung in Konzernwährung
Andreas Wenzel, Competence Center Risikomanagement
BI & Datenmanagement
Das Zusammenspiel der verschiedenen Quellsysteme in den Tochtergesellschaften einer Firma stellt einen wesentlichen kritischen Erfolgsfaktor für ein gemeinsames Berichts- und Planungswesen dar.
Dr. Siegmund Priglinger, Competence Center Business Intelligence
Internationalisierung: Konzepte für Stammdaten
Aus Sicht des Stammdatenmanagements bedingt die Ausweitung der Geschäfte über Landesgrenzen hinweg auf jeden Fall, dass Regeln zur Data Governance erarbeitet werden müssen. Wie wird z.B. ein chinesischer Kunde angelegt? Welche Elemente beinhalten chinesische Postadressen und in welcher Reihenfolge? Welche Sonderzeichen müssen berücksichtigt werden?
Auch Details, wie z.B. unterschiedliche Zahlenformate können für Probleme sorgen: Man denke nur an den Bedeutungsunterschied von Punkt und Komma in der englisch- und der deutschsprachigen Welt. Oder auch unterschiedliche Maßeinheiten (metrisch versus imperial).
Einige Beispiele für notwendige Konzepte / Funktionalität:
- Unterschiedliche Zeichen und Zeichensätze (z.B. Umlaute, Sonderzeichen außerhalb des westlichen Sprachraums) müssen verfügbar sein.
- Ebenso regional unterschiedliche Schemata (z.B. Struktur/Elemente einer Postadresse, Format der Steuernummer).
- Terminologiemanagement, insbesondere zur Mehrsprachigkeit von Datensätzen (mehrsprachige Benennungen/Texte, Abkürzungen/Codifizierung in „sprechenden“ Nummern etc.)
Matthias Knapp, Competence Center Datenmanagement
ECM/DMS
Wenn Unternehmen grenzüberschreitende Niederlassungen haben, wird es interessant bei der Verschlagwortung und der Workflowsteuerung, die u.U. Datumseingaben und Währungsdaten unterschiedlicher Notationen berücksichtigen muss.
Wobei sich viele Unternehmen hierum drücken indem sie sich einfachhalber auf die englische Sprachnotationen einigen bzw. festlegen. Immerhin, so das Argument, ist man international tätig und international wird schließlich meist englisch gesprochen und „gedacht“.
Marc Müller, Competence Center ECM/DMS
CRM
Auch für den Einsatz von CRM-Software hat die Internationalisierung eine große Bedeutung. Themen wie Sonderzeichen, ausländische Währungen oder unterschiedliche Adressformate tauchen im Umfeld CRM genauso auf, wie bei anderen Applikationen, die mit Kunden- bzw. Stammdaten arbeiten.
Nicht zu vernachlässigen ist dazu noch die Herausforderung, einen länderübergreifenden Datenzugriff zu ermöglichen. Für weltweit agierende Unternehmen wird damit die „Cloud“ zum K.O.-Kriterium im Auswahlprozess.
Wolfgang Schwetz, Competence Center CRM
IT-Infrastruktur
Die Basis für jede Unternehmensanwendung muss einfach stimmen. Auch und gerade im internationalen Verbund. Deutschland befindet sich zwischenzeitlich „unter ferner liefen“ im internationalen Ranking der ITK-Versorgung und die Wahl der „richtigen“ Netzknoten gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Ob Dial-In oder Standleitung, die Unterschiede der jeweils nationalen Infrastrukturen gilt es zu berücksichtigen, denn nicht jede Verschlüsselung wird in allen Ländern unterstützt und oft unterliegen Encryption-Appliances besonderen Beschränkungen.
Oftmals ist auch eine direkte Einfuhr von Netzwerk-Equipment und Servern aus Deutschland eine echte Herausforderung.
Dr. Jens Biermann, Competence Center IT-Infrastruktur